Ladrona de Granadas

Wie das Leben so spielt, flattern einem manchmal unerwartet Einladungen ins Haus. So lernte Sonja, eine meiner Damen, die ich betreue, eine Marokkanerin kennen, die uns zu sich nach Hause einlud. Wir machten uns also auf den Weg nach En Kerem, einem Jerusalemer Vorort. Sie wohnte im ältesten Gebäude des Stadtviertels. An diesem Abend war ihr Haus für alle geöffnet und es sollte einige künstlerische Darbietungen geben. Nachdem wir einige Treppen bis zu Ihrem Haus hochgestiegen waren, nahm uns Shoshana auch gleich persönlich in Empfang. Die kleinen verwinkelten Gassen und die verspielt angelegten alten Bauten lassen nur vermuten, welche Geschichten sich hier verborgen halten. Hinter manch einer Tür verbirgt sich eine kleine bunte Welt. Ebenso bei Shoshana Karbasi.

Hinter dem Eingang lag ein wunderbarer kleiner Garten, dem man den künstlerischen Einfluss der Familie durchaus ansah. In der Küche angekommen, tummelten sich bereits einige Künstler und die Stimmung war fröhlich und heiter. Die Architektur dieses Hauses war außergewöhnlich und man konnte sich in den Details verlieren, die alle zusammen den Reiz dieses Platzes ausmachten. Es steckte Leben in diesem Haus.

Man brachte uns Tee und kleine marokkanische Köstlichkeiten. Dann trafen nach und nach Besucher ein, um sich das Haus anzusehen. Auch sollte das Programm bald starten.
Auf dem Weg in die oberen Räume kam ihre Tochter Schir, um uns zu begrüßen und uns ihr schönes Kleid zu zeigen. Das Kind hat eine sehr seltene Behinderung, die nur ca. 200 Menschen weltweit haben. Gerade wollte ich meine Kamera wegpacken, um Sonja die Stufen hoch zu helfen, als die kleine Schir den Apparat entdeckte und sofort ein Foto machen wollte. Ich dachte eins kann nicht schaden – also machte sie von mir und Sonja ein Bild. Dann kam sie auf den Geschmack und startete eine ganze Fotoserie. Ihre Mutter sagte, sie sei eine gute Fotografin. So kam es dazu, dass sie den ganzen Abend Bilder machte. Ehrlicherweise muss ich zugeben, dass ich zwischendurch Angst hatte, ich würde die Kamera nicht mehr im Ganzen wiedersehen. Tja, wie falsch ich da lag.

Sie hatte wirklich ein Händchen für’s Fotografieren und machte interessante Bilder. Hier ein kleiner Einblick:

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Shoshana erzählte etwas über ihre Geschichte und auch über das Haus. Ihre Familie wanderte 1933 von Marokko ein. Sie wohnten erst in Nazareth. Später zogen Shoshana, ihr Mann und die Kinder nach En Kerem. Sie schreibt Gedichte und auch Liedtexte. Auch schreibt sie Liedtexte für ihre Tochter Mor, die mit ihrer Musik sehr erfolgreich ist.

Ihre Tochter Mor Karbasi  lebt heute mit ihrem Mann in London und ist eine bekannte Ladino Sängerin. Sie sang für uns „Ladrona de Granadas“ aus ihrem neuen Album ‚La Tsadika‘ (2013),  dessen Liedtext Shoshana geschrieben hat.

http://www.morkarbasi.com/

Es war wirklich ein hoch interessanter Abend. Vor allem beeindruckt hat mich die kleine Schir, die ohne Zögern auf alle zugegangen ist und die Leute positioniert hat, wie sie es wollte, um schöne Fotos zu erzielen. Sonja erzählte von Familien, die behinderte Kinder nicht herumlaufen ließen, wenn Gäste da waren. Davon war hier nicht die Rede, ganz und gar nicht. Die kleine Schir war den ganzen Abend mitten im Geschehen und so hatte ich keine Arbeit, um Fotos zu machen und bekam am Ende bessere Bilder als ich sie je gemacht hätte.

Für mich war es sehr lehrreich, denn zu Beginn hätte ich ihr das gar nicht zugetraut, aber man sollte offen sein für jeden Menschen, denn man kann nie wissen, was in dem anderen steckt. Darum sollte man auch vorsichtig sein, vorschnell zu urteilen, wozu wir aber leider immer zu leicht geneigt sind.

Urteile nicht nach dem Äußeren, denn man kann nicht wissen,
welcher Schatz hinter der Fassade verborgen liegt.

So ging ein wunderbarer und abwechslungsreicher Abend zu Ende, der eine Vielfalt bot, wie man es nicht so häufig erleben kann. Ein Abend voll Kunst und Musik, voll Lachen und Freude, im Kreis einer Familie, die reich ist an Liebe und Zusammenhalt und gesegnet mit vielerlei Talenten.

© Sabine Bruckner

3 Gedanken zu “Ladrona de Granadas

  1. Die Musik hat mir gut gefallen. Es klingt danach, dass es ein bereichernder Abend war. Danke fürs teilhaben lassen.

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